Der Schweizer Zeitungsmarkt befindet sich momentan in einem „brutalen“ Marktumfeld. Die grossen, nationalen Zeitungspublikationen haben in den letzten zehn Jahren zwischen 20% und 35% ihrer Auflage verloren. Grund ist die fortschreitende Digitalisierung, in deren Folge Inhalte zu einem grossen Teil ins Netz wanderten. Dort sind diese nicht mehr so einfach zu monetarisieren – eine Entwicklung, die auch für Mediaagenturen zu berücksichtigen ist. In einer kleinen Blog-Serie werfen wir deshalb einen Blick auf die aktuelle Situation und zeigen mögliche Zukunftsszenarien auf. Das heutige Thema: Welche Modelle für Zeitungen im Netz gibt es bereits und welche Zukunftsperspektiven haben diese?

Detlef Gürtler und Leander Wattig vom Gottlieb Duttweiler-Institut scheinen überzeugt: Verlage wird es in einigen Jahren in ihrer jetzigen Form nicht mehr geben. Doch bereits heute sehen wir an einigen Beispielen, dass Branchen den digitalen Wandlungsprozess durchaus überleben und mit neuen Konzepten sogar nützen können. Musik-Labels, Reisebüros und Filmproduzenten gibt es noch immer – jedoch hat sich deren Berufsbild völlig gewandelt. Natürlich ist auch den Verlagen die Umwälzung der Kommunikationsbranche nicht entgangen und die ersten Reaktionen sind sichtbar.

Im Moment werden am Markt sechs Modelle getestet für die künftige Internetpräsenz von Zeitungen und Zeitschriften.

1. Strikte Paywalls

Diese Lösung ist auf den ersten Blick die einfachste und beruht auf folgendem Gedanken: Vor dem Internetzeitalter waren Leser bereit für Information zu bezahlen, also sind sie es auch jetzt auch noch.

Entsprechend wird Content in diesem Modell auch im Netz nur zahlungspflichtig angeboten. Beispiele für solche Publikationen sind momentan das Wall Street Journal oder die Weltwoche. Die Lösung ist zwar naheliegend, jedoch sehr radikal und birgt die Gefahr, dass die Bedeutung der Publikationen im digitalen Umfeld stetig sinkt. Die Google Trends-Abfrage lässt dies vermuten.

Trotzdem kann dies eine Variante sein, insbesondere für spezialisierte und journalistisch hochwertige Blätter, die von ihrer starken Marke leben und eine treue, zahlungsbereite Kundschaft haben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass solche Presserzeugnisse nicht nur hervorragende Leistungen, sondern regelmässig einmaligen Spezialisten-Content schaffen müssen, der von anderen Publikationen nur schwer übernommen werden kann (z.B. Börseninformationen, Insider-Infos).

2. Metered Paywall

Die Variante der Metered Paywall wurde von der New York Times eingeführt und ist bei vielen Tageszeitungen momentan ein favorisiertes Modell. Dabei werden Inhalte zwar grundsätzlich gratis Angeboten. Überschreiten Nutzer jedoch eine bestimmte Anzahl gelesener Artikel pro Monat, werden sie für diese zur Kasse gebeten. Auch NZZ Online hat sich für diese Strategie entschieden – und viele andere Medientitel (z.B. Newsnet oder blick.ch) wollten eigentlich folgen. Doch nachdem mittels Paywall-Formular bei der NZZ erst „einige hundert Abos“ abgesetzt und die Zugriffe auf die Website deutlich sanken, wurde die Umsetzung der Paywall von anderen Schweizer Verlagen vorerst zurückgestellt. Vielleicht hat das Modell für einige Publikationen Zukunft, jedoch konnten bisher weder NZZ, New York Times noch der seit kurzem mit Paywall versehene Auftritt der Bild Zeitung ihre digitalen Inhalte mit diesem Modell gewinnträchtig vermarkten. Ausserdem sind Metered Paywalls mit wenigen technischen Tricks zu knacken.

3. Social Payment

Eine durchaus sympathische und vielversprechende Variante der Paywall stellt das Social Payment dar. So bittet die TAZ während des Lesens ihrer Online-Artikel jeweils in einem Overlay um eine Spende. Dass dieses Modell durchaus Erfolg haben kann, beweist Wikipedia mit seiner Wikimedia Foundation, die bei Bedarf innerhalb weniger Wochen Millionen-Beträge bei den Wikipedia-Nutzern sammelt. Dieses Modell kann durchaus auch für lokale Nachrichten-Angebote sehr interessant werden. Denn lokale Informationen sind in der Informationsflut des Webs schwierig zu finden und spezialisierte, nützliche Dienstleister erobern sich schnell die Sympathie (und Zahlungsbereitschaft) einer treuen Leserschaft.

4. Das Huffington Post-Modell

Das Huffington Post-Modell kommt der Voraussage nach einer Auflösung der klassischen Verlage am nächsten. Bei der Huffington Post ist der Verlag nämlich nicht mehr für die Erstellung der Inhalte verantwortlich, sondern nur noch für die Möglichkeit, Nachrichten zu publizieren. Jeder, der schreiben kann und etwas zu sagen hat, kann in diesem Modell zum Journalisten werden. Der Verlag stellt nur noch das Gefäss zur Verfügung und nutzt die Masse an hervorragenden Schreibenden im Web. Schreibt man gut, erreicht man hohe Positionen und wird oft gelesen – ein umfassendes Leistungsprinzip für Journalisten. Das Problem: Unser klassisches Verständnis vom Journalisten-Beruf ist damit nicht kompatibel, denn die Unabhängigkeit der Autoren unterliegt kaum mehr einer Prüfung, und der Zwang, oft gelesen zu werden, kann die Seriosität negativ beeinflussen.

5. Verlage als Gemischtwarenhändler

So mancher Verlag ist in den letzten Jahren zu einem Gemischtwarenhändler für die unterschiedlichsten Online-Dienste geworden. Zu Tamedia gehören beispielsweise mittlerweile homegate.ch, jobwinner.ch, piazza.ch, search.ch, swissfriends.ch und tilllate.com. Aber auch andersrum funktioniert das Modell. So legt beispielsweise Red Bull in Österreich das durchaus ambitionierte Magazin Servus auf. Die Grundidee bei dieser Strategie ist das Nutzen von Synergien über verschiedene Online-Bereiche hinweg. Werthaltiger Content und lohnenswerte Internetdienste werden verknüpft (Stichwort: „Corporate Publishing“). In der Schweiz bemühen sich momentan fast alle grossen Verlage dieses Modell umzusetzen. Und auch einzelne Zeitschriften-Titel bieten mittlerweile die Möglichkeit an, redaktionelle Themenwochen auf ihren Websites zu schaffen, die als gute Werbeplätze für relevante Werbetreibende gelten.
Das Problem bei diesem Modell ist natürlich die Frage nach der Unabhängigkeit der Journalisten, denn die Grenzen zwischen redaktioneller Arbeit und Verlagsinteressen werden diffuser.

6. Modell Guardian

Das mutigste Modell wird im Moment vom Englischen „Guardian“ verfolgt. Alle Inhalte werden zuerst online publiziert und der Kurs der Redaktion ist auf höchste Qualität und Investigativ-Journalismus ausgelegt (der letzte grosse Guardian-Coup war die Aufdeckung des NSA-Skandals). Das Problem ist nur: Der Guardian ist momentan noch hoch defizitär. Dem Guardian wird das oftmals vorgeworfen, jedoch entspricht dieses Defizit zu Beginn eines Projekts eigentlich dem normalen Produktezyklus – insbesondere im Netz. Auch die Bookmarking-Plattform Pinterest hat in den letzten Monaten eine grosse Nutzergemeinde aufgebaut. Geld verdient das Startup damit noch nicht und meint zu entsprechenden Anfragen: „Monetarisierung? Später!“ Dass dies durchaus seriös sein kann, zeigt das erfolgreichste Unternehmen im Online-Bereich: Noch im Jahr 2000 fragte die Businessweek „how will Google ever make money?“. Diese Frage ist mittlerweile geklärt.

Fazit

Die „eine richtige“ Variante gibt es im Moment noch nicht und die Phase des Experimentierens wird wohl noch länger andauern. Dass ein Modell sich in nächster Zeit umfassend durchsetzt, ist jedoch auch nicht sehr wahrscheinlich. Schauen wir uns beispielsweise mal an, wie sich die Google-Suchanfragen für die NZZ und den Blick in den letzten Jahren verändert haben:

Offensichtlich sollten diese beiden Marken in Zukunft nicht die gleiche Strategie fahren. Ihre strategische Ausrichtung muss sich an den potenziellen Kunden ausrichten, die völlig unterschiedlich sein können. Das muss aber kein Problem sein, denn für Werbetreibende können durchaus auch Websites mit weniger Traffic interessant sein. So ist in der E-Commerce-Branche beispielsweise bekannt, dass Anzeigen auf qualitativ hochwertigen Publikationen zwar keine besseren Klickraten, jedoch oftmals höhere Warenkörbe generieren.
Doch was müssen Presseerzeugnisse inhaltlich liefern um künftig erfolgreich zu sein? Es gibt durchaus Tendenzen, was die Zeitung von Morgen leisten muss. Diese Zukunftstrends betrachten wir in unserem nächsten Blog-Post.